Wie sexistisch ist die Schlagerbranche? Ein Blick hinter die Kulissen nach der Layla-Debatte

Teilen:

Das “Donaulied” – Beginn einer neuen Sensibilität

Im Mai 2020 wurde das “Donaulied”, ein beliebtes Volkslied, zum Gegenstand einer Onlinepetition, die das Verbot des Liedes in Passauer Bierzelten und Kneipen forderte. Die Texte des Liedes wurden als Verharmlosung sexueller Gewalt interpretiert. Die Petition erhielt breite Unterstützung mit über 36.000 Unterschriften und führte sogar dazu, dass eine Stadt das Stück verbot​​​​.

“Layla” – Ein Echo der Debatte im Jahr 2022

Fast zwei Jahre später sorgte der Schlagerhit “Layla” von DJ Robin & Schürze für einen ähnlichen Aufschrei. Trotz oder gerade wegen der Sexismusvorwürfe wurde das Lied zum Single des Jahres 2022 gekürt und zeigte die anhaltende Diskrepanz zwischen öffentlicher Meinung und kommerziellem Erfolg​​.

Von problematischen Liedtexten zur internen Debatte: Ein Spiegelbild des Sexismus

Die Kontroversen um Lieder wie das “Donaulied” und “Layla” haben nicht nur wegen ihrer Texte für Aufsehen gesorgt, sondern auch eine tiefere Diskussion über den Sexismus in der Schlagerbranche selbst angestoßen. Diese Lieder – das eine ein traditionelles Volkslied, das andere ein moderner Partyschlager – haben gemeinsam, dass sie von einer breiten Öffentlichkeit aufgrund ihrer sexistischen Untertöne kritisiert wurden. Dies hat die Frage aufgeworfen, inwiefern solche Inhalte ein Symptom für die tiefer liegenden Probleme innerhalb der Branche sind.

Die Tatsache, dass Lieder mit problematischen Texten solche Popularität erlangen können, wirft ein Schlaglicht auf die Wertevorstellungen innerhalb der Musikindustrie und insbesondere im Schlager. Es offenbart, dass sexistische Tendenzen nicht nur in der Auswahl und in den Texten der Lieder zu finden sind, sondern möglicherweise auch in der Art und Weise, wie Künstlerinnen in der Branche behandelt werden. Die Diskussionen, die durch Lieder wie “Layla” angeregt wurden, zeigen, dass die Branche sich mit diesen Themen auseinandersetzen muss, um einen kulturellen Wandel herbeizuführen und ein Umfeld zu schaffen, in dem Frauen ohne Vorurteile und Reduktion auf das Äußere als vollwertige Künstlerinnen anerkannt werden.

Die Rolle der Künstlerinnen im Wandel

Michelle, eine der prägenden Stimmen des deutschen Schlagers, kündigte 2022 an, sich von der Bühne zurückzuziehen. Mit über 30 Jahren im Geschäft, hinterlässt ihr Abschied eine deutliche Botschaft über die Schwierigkeiten, die Frauen in dieser Branche erleben. Anna-Carina Woitschack sprach Michelle ihre Anerkennung aus und teilte mit: „Danke für deine ehrlichen Worte. Wir Frauen haben es in der Branche manchmal echt nicht leicht. Ich wünsche dir von Herzen alles Gute“ – ein Zitat, das die Realität vieler Frauen im Musikgeschäft widerspiegelt.

Die Gefühle der Solidarität und des Bedauerns, die Woitschack ausdrückt, finden sich auch in den Erfahrungen von Melissa Naschenweng wieder, die die Schlagerbranche ebenfalls als ein “Haifischbecken” voller Missgunst beschreibt. Sie betont, wie wichtig die gegenseitige Unterstützung unter Künstlerinnen ist und fordert mehr Anerkennung statt Neid: „Vor allem wir Frauen sollten einander unterstützen und uns auch mal Komplimente machen. Vieles ist total auf den Erfolg bezogen.“

Künstlerinnen zwischen Rückzug und Empowerment

Im Kontrast dazu steht Beatrice Eglis Erfahrung, die sich dank der Unterstützung von weiblichen Schlagerstars durchaus positiv über die Branche äußert. „Ich finde es richtig schön zu sehen, wie viel Frauenpower im deutschen Schlager steckt“, sagt Egli und zeichnet damit ein hoffnungsvolles Bild von Zusammenarbeit und gemeinsamer Freude an der Musik​​.

Diese unterschiedlichen Sichtweisen unterstreichen die Vielschichtigkeit des Themas Sexismus und Unterstützung unter Künstlerinnen im Schlager. Während der Rückzug von Michelle ein Licht auf die Herausforderungen wirft, mit denen Künstlerinnen konfrontiert sind, zeigen die Aussagen von Beatrice Egli, dass es auch Anzeichen für positive Entwicklungen gibt. So bleibt der Sektor Schlagermusik ein Spiegelbild gesellschaftlicher Dynamiken, in dem der Kampf um Anerkennung und Gleichberechtigung weitergeht.

Zwischen Schönheitsidealen und künstlerischer Anerkennung

Neben den Herausforderungen durch Konkurrenzdruck und Missgunst werden Schlagerkünstlerinnen auch häufig aufgrund ihres Aussehens beurteilt, ein weiteres Indiz für den vorherrschenden Sexismus in der Branche. Sängerinnen wie Vanessa Mai und Beatrice Egli sind beispielhaft für den Druck, der auf Frauen lastet, bestimmten Schönheitsidealen zu entsprechen. Mai wird oft für ihre sexy Auftritte gelobt, was zwar einerseits ihre Popularität steigert, andererseits aber auch die Gefahr birgt, dass ihre musikalischen Leistungen in den Hintergrund rücken. Egli wiederum war lange Zeit mit Kommentaren konfrontiert, die sie auf ihr Gewicht reduzierten, anstatt ihre musikalischen Errungenschaften in den Vordergrund zu stellen.

Diese Reduktion auf das Äußere ist ein klares Zeichen von Sexismus, der die Anerkennung für die künstlerische Arbeit von Frauen untergräbt. Es ist ein Spagat zwischen der Wertschätzung ihres Talents und der oftmals ungewollten Aufmerksamkeit für ihr Erscheinungsbild. Dieser Aspekt des Sexismus zeigt, dass es nicht nur um verbale Unterstützung geht, sondern auch darum, den Blick auf die künstlerischen Fähigkeiten und die individuelle Persönlichkeit jeder Künstlerin zu richten und zu schätzen, was jenseits des Visuellen liegt.

Der Einfluss von Solidarität und Unterstützung

Die gemischten Reaktionen von weiblichen Schlagerstars deuten darauf hin, dass Solidarität unter Frauen ein Schlüssel zur Überwindung von Sexismus in der Musikbranche sein könnte. Die Förderung von Frauenpower und gegenseitiger Unterstützung scheint ein wachsender Trend zu sein, der die Grundlage für einen nachhaltigen Wandel legt.

Fazit: Eine Branche im Umbruch

Die Kontroversen um das “Donaulied” und “Layla” sind Beispiele für die fortschreitende Debatte über Sexismus im deutschen Schlager. Diese Diskussionen haben gezeigt, dass das Bewusstsein für problematische Inhalte gestiegen ist, auch wenn sich dies nicht immer unmittelbar in den Charts widerspiegelt. Die gemischten Erfahrungen und Ansichten von Künstlerinnen weisen darauf hin, dass ein langsamer, aber beständiger Wandel in Gang gesetzt wurde, der die Schlagerbranche möglicherweise zu einem respektvolleren Umgang mit Geschlechterrollen führen wird. Die Auseinandersetzung mit diesen Themen bleibt von entscheidender Bedeutung für die Zukunft der Schlagermusik und ihrer gesellschaftlichen Rolle.

Folge "Schlagerfieber.de" bei Google-News und verpasse keine Schlager-News

google news
Wie sexistisch ist die Schlagerbranche? Ein Blick hinter die Kulissen nach der Layla-Debatte 2