GEZ-Gebühren für Schlager: Warum ich widerwillig dafür bin

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Als ich Musikjournalist anfing, hätte ich nie gedacht, dass ich einmal einen Artikel zur Verteidigung von Schlagershows schreiben würde. Doch hier bin ich, mit grauen Schläfen und der Erkenntnis, dass selbst Florian Silbereisens glitzernde Weste ihre Daseinsberechtigung hat. Lassen Sie mich erklären, warum ich – wider alle Vernunft – dafür plädiere, dass Formate wie „Die Feste der Volksmusik“, „Die Giovanni Zarrella Show“ oder der „Schlager-Spaß mit Andy Borg“ weiterhin von unseren GEZ-Gebühren finanziert werden sollten.

Der Elefant im Raum: Ja, es ist Geldverschwendung

Lassen Sie uns ehrlich sein: Natürlich ist es auf den ersten Blick absurd, Millionen für Shows auszugeben, in denen erwachsene Menschen in Glitzeranzügen zu seichten Texten über Liebe und Sonnenschein trällern. Als Kulturbanause könnte man argumentieren, dass dieses Geld besser in anspruchsvollere Formate investiert wäre. Doch hier liegt der Hund begraben.

Die bittere Pille: Wir brauchen diesen Eskapismus

In einer Welt, die von Krisen gebeutelt ist, von Klimawandel bis hin zu geopolitischen Spannungen, bieten diese Shows etwas, das wir alle ab und zu brauchen: eine Flucht aus der Realität. Ja, es ist billig. Ja, es ist oberflächlich. Aber verdammt, es funktioniert. Und seien wir ehrlich, manchmal brauchen wir alle eine Dosis Heile-Welt-Droge.

Der demografische Wandel: Unsere alternde Gesellschaft

Ob es uns gefällt oder nicht, Deutschland wird älter. Und rate mal, wer die treuesten Fans dieser Shows sind? Richtig, unsere Eltern und Großeltern. Sollen wir ihnen wirklich ihren Samstagabend-Spaß nehmen, nur weil wir zu „cool“ dafür sind? Das wäre nicht nur arrogant, sondern auch kurzsichtig.

Die kulturelle Zwickmühle

Ich gebe zu, lange Zeit habe ich auf den Schlager herabgesehen. Doch je länger ich mich damit beschäftige, desto mehr erkenne ich: Es ist ein Teil unserer Kultur, ob es uns passt oder nicht. In einer Welt, in der wir uns für die Erhaltung jedes noch so obskuren Brauchtums einsetzen, wäre es heuchlerisch, den Schlager als unwürdig abzustempeln.

Der Robin-Hood-Effekt: GEZ-Gebühren als Umverteilung

Hier kommt mein kontroversestes Argument: Die GEZ-Gebühren für Schlagershows sind eine Form der Umverteilung. Während die urbane Elite Netflix und Spotify abonniert, bekommen Oma Erna und Opa Heinz in der brandenburgischen Provinz ihre Unterhaltung direkt ins Wohnzimmer. Ist das nicht auch eine Form von sozialer Gerechtigkeit?

Die Qualitätsfrage: Nicht alles ist Gold, was glänzt

Zugegeben, nicht jede dieser Shows ist ein Meisterwerk. Manchmal ist es schwer, nicht die Augen zu verdrehen, wenn zum x-ten Mal die gleichen Stars auftreten. Aber die öffentlich-rechtliche Finanzierung erlaubt es zumindest theoretisch, auch mal Risiken einzugehen und neue Talente zu fördern. Ob das immer gelingt, ist eine andere Frage.

Der wirtschaftliche Faktor: Mehr als nur Glitzer und Glamour

Als Journalist, der die Branche seit Jahrzehnten beobachtet, muss ich widerwillig zugeben: Der Schlager ist ein nicht zu unterschätzender Wirtschaftsfaktor. Diese Shows sichern Arbeitsplätze, von Tontechnikern bis zu Bühnenbildnern. In Zeiten, in denen die Kulturbranche am Tropf hängt, ist das nicht zu verachten.

Die europäische Dimension: Schlager als Soft Power

So lächerlich es klingen mag: Helene Fischer und Co. sind Deutschlands heimliche Kulturbotschafter. In einer Zeit, in der Europa mehr denn je zusammenwachsen muss, ist selbst der banalste Schlager ein Brückenbauer. Wenn das kein Argument für die GEZ-Finanzierung ist, weiß ich auch nicht.

Der Generationenkonflikt: Jung gegen Alt?

Ich sehe schon die empörten Kommentare der jüngeren Generation: „Warum soll ich für den Rentner-Spaß zahlen?“ Aber mal ehrlich, wie viele von euch nutzen noch lineares Fernsehen? Die Solidarität zwischen den Generationen sollte keine Einbahnstraße sein.

Mein persönliches Fazit: Ein notwendiges Übel

Nach 20 Jahren im Geschäft komme ich zu dem Schluss: Ja, Schlagershows sind oft peinlich, manchmal grenzwertig und definitiv nicht jedermanns Geschmack. Aber sie sind ein notwendiges Übel in unserer Medienlandschaft. Sie bieten Unterhaltung für Millionen, bewahren ein Stück Kultur und sind – ob wir es wollen oder nicht – ein Spiegel unserer Gesellschaft. Also schlucken wir die bittere Pille und zahlen unsere GEZ-Gebühren. Wer weiß, vielleicht ertappen wir uns eines Tages dabei, wie wir heimlich mitschunkeln.

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